WiSe20 AK Input Christians Fuchs
Vorstellung des AKs
Verantwortliche/r: Manu (Uni Wien)
Theoretisch-Philosophischer Input zur politischen Positionierung von Wissenschaftler*innen und Fachschaften.
Im Rahmen der Vorlesung: Die verantwortung der Hochschule. Rüstungsforschung und Perspektiven für eine Zukunft ohne Krieg https://ufind.univie.ac.at/de/course.html?lv=260068&semester=2020W an der Uni Wien wurden Christiane Fuchs und Alex Demirovic eingeladen um Vorträge über kritische Wissenschaften zu halten. Unten findet ihr ein mash-up der beiden Vortragsabstracts. Christiane wird einen Vortrag darüber halten warum sich Fachschaften politisch positionieren können bzw. ob sie dies sollen und dürfen oder ob es gar notwendig ist. Wir denken, dass das auch eine gute Vorbereitung auf die Hochsculgesetz AK und den Solidarsemester AK ist.
Wissenschaften sind kritisch. Denn sie stellen vorhandenes Wissen und Gewißheiten in Frage. Selbstverständnisse, mit denen die Menschen seit Jahrtausenden leben, verlieren im Lichte wissenschaftlicher Forschung ihre Plausibilität. Unsichtbares wie Viren oder Schwarze Löcher wird sichtbar gemacht, Sichtbares hingegen verliert seine Evidenz. Was objektiv ist, was wahr ist, ist umstritten. Wissenschaft dient aber auch gesellschaftlich Mächtigen: durch das Alltagsleben der Wissenschaftler_innen, durch die Finanzierung und die Organisation des Erkenntnisprozesses, durch die Ergebnisse und ihre Nutzung. Wissenschaft kann ein Instrument und eine Praxis von Herrschaft werden. Beides - dass Wissenschaft kritisch ist und dass sie mit ihrem Wissen Macht ausübt - kann zu Distanz und Feindseligkeit gegenüber Wissenschaft führen, ihre Bedeutung auch in Gesellschaften schwächen, die eigentlich auf sie angewiesen sind. Solche Einschränkgungen der Wissenschaft kann von außen kommen, doch auch die Wissenschaften selbst können sich in eine Situation manövrieren, in der sie ihre kritishe Funktion immer stärker einschränken.
Ausgehend von der Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung von Wissenschaft entwirftder Vortrag einen historischen Rückblick auf Widerstände aus der Physikge gegen eine militarisierte Wissenschaft, wie beispielweise die Göttinger Erklärung von 1957,und die Anfänge der Zivilklauselbewegung an Hochschulen vorgestellt und diskutiert werden.
Vorstellung der Referentin
"Christiane Fuchs (geb. 1993) hat an der Universität Regensburg Geschichte, Germanistik und Deutsch als Zweitsprache studiert. Neben dem Studium hat sie sich hochschulpolitisch und gewerkschaftlich engagiert und betreut in der GEW Bayern den Bereich der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit.
Seit September 2020 ist sie als wissenschaftliche Referentin für Bildungspolitik beim BdWi tätig." (Quelle: https://www.bdwi.de/bdwi/organisation/kontakt/index.html/_node/personen/fuchs.html)
Folien des Vortrages
Protokoll
Protokoll vom 07.11.2020
- Beginn
- 10:02 Uhr
- Ende
- 12:00 Uhr
- Redeleitung
- Manu (Uni Wien)
- Protokollantum
- Jeanette (Alumna), Ab Diskussion unterstützt durch Tobi (Düsseldorf) und Andi (Würzburg)
- Anwesende Fachschaften
- Freie Universität Berlin,
- Brandenburgische Technische Universität Cottbus,
- Heinrich Heine Universität Düsseldorf,
- Friedrich-Schiller-Universität Jena,
- Universität zu Köln,
- Philipps-Universität Marburg,
- Technische Universität München,
- Westfälische Wilhelms-Universität Münster,
- Universität Potsdam,
- Universität Rostock,
- Julius-Maximilians-Universität Würzburg,
- Universität Wien,
Vortrag von Christiane
- Ob und warum studentisches Engagement sinnvoll ist
- Vorstellung von Christiane: Werdegang
- Vorstellung des BdWi
- zweck- und ideologiefreie Wissenschaft nicht möglich
- Hochschulen sind in gesellschaftliche, ökonomische und soziale Prozesse eingebunden
- Beispiel: Kolonialwissesenschaften wurden durch gesellschaftliche Vorstellungen geprägt
- Hochschulen sind Träger gesellschaftlicher Vorstellungen
- Beispiel: Biologie und Intersexualität; Binäre Vorstellung der Geschlechter erst im 18./19. Jhd. entwickelt
- Naturwissenschften sind genauso wie Gesellschaftswissenschaften von der Gesellschaft geprägt
- Finanzierung von Forschung hat formenden Charakter für die Forschung -> Wettbewerbslelemente in der Forschungsförderung
- Wissenschaftler\*innen richten sich nach dem Trend aus
- Forschung hat gesellschaftliche Wirkung außerhalb der Universität
Göttinger Erklärung/Manifest 1957
- vorangegangene Diskussion zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr im Kalten Krieg
- Wissenschaftler hatten Bundesregierung davor gewarnt
- 1. Warnung vor Atomwaffen
- 2. Aufforderung der Bundesregierung Atomwaffen zu besitzen
- 3. Selbstverpflichtung der Wissenschaftler sich an der Entwicklung der Waffen nicht zu beteiligen
- Göttinger Erklärung löste international Diskussionen aus, auch in der DDR
- politisch aktivitistischer Widerstand wurde dadurch gestärkt
- Gründungsimpuls in der Wissenschaft zum kritischen Diskurs von Technologienfolgen
Geschichte studentischer Vertretung
- Studierende oft in Burschenschaften organisiert
- Burschenschaften mit explizieter politischer Schlagrichtung
- verfasste Studierendenschaften zu Beginn (1920er) oft mit reaktionären Studierenden besetzt
- Nach '45 Wiedereinführung von Studiwerke und verfasste Studierendenschaften
- in den 60ern Studierende für die Aufarbeitung der NS-Zeit
- Lange Tradition studentischem Engagement
Folgen für das eigene Wissenschaftsverständnis und die studentische Vertretung
- unpolitisches Handeln als Studierendenschaft nicht möglich
- reiner Dienstleistungscharakter wird den Bedürfnissen der Studierenden nicht gerecht
- bei enger Auslegung der unpolitischen Position dürften sich Vertretungen auch nicht zu Wohnraumpolitik äußern
- Deligitimation unliebsamer Positionen der Studierenden durch u.a. Hochschulleitungen
Diskussion zum Input
Frage: Es wurde viel über die Geschichte der Studierendenvertretung in Deutschland. Wie sieht das in Anderen Ländern aus z.b. in Österreich (Österreich Ungarn) Antwort Chistiane: Ihr Fokus liegt stark auf dem (bundes)deutschen Bereich, unterschiedliche Strömungen in verschiedenen Ländern, Studierende bringen sich in Protesten ein
Internationale Staaten hatten immer auch in ihren Protestbestrebungen. Die ÖH in Österreich funktioniert völlig anders als in Deutschland soweit sie das kenne.
Manu ergänzt zu Ö: kennt die Historie nicht wirklich, ihm fällt aber auf der ZaPF oft auf, dass es stärkere Mitbestimmungsrechte und höheres Budget haben als deutsche FSen. Das liegt wohl auch daran, dass es ein bundesweites Hochschulgesetz gibt.
Christiane ergänzt: in deutschem system zu Beginn des 19. Jhd. Ausschluss von Statusgruppe Studierenden. Im Anglosächischen System wurde ein anderer Ansatz gefahren - eher erzieherisch
Christian (Marburg): hat schon mit dem BdWi zusammengearbeitet. Anmerkung: das Streitthema zieht sich auf zwei Ebenen zurück - einerseits eine rein politische, andererseits die Frage ob wir uns äußern dürfen oder nicht.
Frage an die Runde/An Christiane: Wie geht man damit um, wenn es Regelungen gibt die Allgemeinpolitische Äußerungen zu unterbinden versuchen. (Gesetzliche begrenzung im Zuge des "Deutschen Herbstes") Hast du Tipps, wie man damit umgehen kann?
Andy (Wü): Ergänzung, 3. Ebene: Frage nach dem Vertretungsanspruch. Hochschulwahlen -> keine Konkurrenz gegen Fachschaftslisten. Menschen zögern allgemeinpolitische Themen mitzunehmen, da dann kein Konsens unter den Studierenden herscht und ihre Poition dann geschwächt wird, denn es um Fakultätsthemen geht
Christiane: Meinung aller Studierender können nie vertreten werden; Aufteilung: Fachschaften <> politische Hochschulgruppen; studentisches Engagement kennt vor Ort Möglichkeiten Meinungsbildungsprozesse zu gestalten -> auch mit Themen wie fff in Vollversammlung gehen; studentische Vertretung muss sich auch nicht zu jedem Thema äußern
Thema Totschlagargumente: man muss sich vielleicht von der Idee verabschieden, genau die Menschen (z.B. Hochschulleitung) zu überzeugen die eine festgefahrene gegenläufige Meinung haben, stattdessen für alle deutlich argumentativ darstellen, warum wir uns äußern wollen
Tobi (Düsseldorf): Auf der ZaPF schwierig mit Argumenten zu überzeugen. Leute kommen zum Teil aus Studischaften, die kein allgemeinpolitisches Mandat wollen b.z.w. wo Fachschaften mit repressalien durch die Studentischen Strukturen rechnen müssen, wenn sie sich außerhalb der engen Grenzen der Hochschulpolitik Äußern. Leute kommen aus so einer Position schlecht raus, auch wenn sie selbst argumentativ überzeugt sind, weil ihnen daheim Konsequenzen drohen. Jedes Thema kann einen hochschulpolitisches sein da die Allgemeinpolitik natürlich immer auch die Studierenden trifft.
Manu (U Wien): Legitimierungsfrage: In Ö variiert allgemeinpolitisches Mandat von Standort zu Standort. Es gibt auch Studis, deren Fokus auf exzellenter Forschung liegt. Sich für gute Lehre einzusetzen kann schon ein Problem sein, wenn es damit gegen gute Forschung geht. In Linz sind es zu wenig Studis, und sie fürchten sich aufzulösen, wenn sie politische Diskussionen haben. Darum haben sie sich auf den Konsens geeinigt nur sehr hochschulbezogen zu arbeiten, um den Fortbestand der Vertretung zu sichern.
Daniela (Franfurt): Es existieren Methoden und Werkzeug vor Ort Entscheidungsfindung zu machen. Das Problem mit solchen Werkzeugen ist ihr noch nicht ganz klar geworden und sie hat noch nicht verstanden, welche Werkzeuge dafür gut geeignet sind. Viele Fachschaften scheinen nicht gut streiten zu können. Daher haben sie Sorgen, dass ein Politischer Diskurs unfrieden in den Fachschaftsrat bringt.
Jeanette: ihr Eindruck war oft, dass sich Lager in der Fachschaft gebildet haben und die Explosion nicht wegen der politischen Diskussion entstanden ist, sondern diese Diskussion die Spannungen nur verstärkt hat
Andy (Wü): Fachschaft war schlecht auf Diskussion vorbereitet, da es vorher immer Konsens gab. In Friedenszeiten wurde also nicht an Werkzeugen zum Streiten gearbeitet. Fazit ist: Man sollte in zeiten der Konsensbasierten Fachschaftsarbeit mittel erarbeiten, mit denen man unter Zeitdruck auch nicht Themen bearbeiten kann, zu denen kein Konsens besteht.
Manu (U Wien): Das Problem taucht auch bei uns auf. Um damit umzugehen haben wir eine bestimmte herangehensweise gefunden die sich als Sinnvoll bewährt hat. Einmal im Jahr fährt Fachschaft auf eine Fahrt, hier gibt es immer ein Seminar zur Gewaltfreien Kommunikation. Vollversammlung zu einem bestimmten Thema einberufen. Auch wenn nur 10 Leute kommen, ist eine große Bandbreite an Meinungen vertreten.
Tobi (Düsseldorf): ergänzt im Chat, dass themenbezogene Vollversammlungen mehr Leute ziehen als allgemeine.
Paul (Köln): Internationale Ebene: Status quo; War mit verschiedenen internationalen Unis und Studierendenschaften; D und ÖH sind sich relativ ähnlich,
GB und Fr haben auch noch sehr starke Vertretungen (Fr sogar mit studentischen Vizerektor:innen) NL, H, Italien haben schlechte Vertungsmöglichkeiten
Manu : Bei der ICPS ist zu merken, dass viele int. Studierende nicht gewohnt sind, sich zu engagieren
Zurück zu verschiedene Ebene 1. Vertretunganspruch für Studischaft 2. Wissenschaftskontext (evidenzbasiertes Engagement) 3. Fachschaftsarbeit: wo ergibt sinn sich zu engagieren und wo nicht
Jeanette: findet es interessant, dass gerade evidenzbasiertes Engagement in den letzten Jahren herausgenommen wurde - es wurde immer weiter in Richtung Wissenschaftskommunikation und damit (ausgebildete) Wissenschaftler:innen hingearbeitet. Ist es sinnvoll, das wieder mehr auch zu den Studis zurückzuverschieben?
Manu (U Wien): Studierenden wird manchmal die Berechtigung abgesprochen, sich zu einem Thema aus der Wissenschaft heraus zu äußern. Man darf sich gefühlt erst äußern, wenn man ein "großer" und fertig ausgebildet ist.
Es wird oft angemerkt, dass das nicht der richtige Rahmen ist sich politisch zu äußern - wo ist dann (wenn nicht z.B. auf der ZaPF) der Ort, sich politisch zu äußern.
Interessanter Aspekt im Vortrag: nach '45 wurden Studierende aktiv für die Stärkung der Demokratie eingesetzt. Warum versuchen Gesetzes Novellen den Spielraum der Studierenden zu reduzieren?
Christiane: Ergänzt eine politische Note: ihr politisches Denken und Engagement ist stark durch Arbeit in Studivertretung geprägt. Verfasste Studischaften wurde eingeführt um Studierenden Demokratie beizubringen. Verfasste Studischaften sind mittel zum Demokratiestärkung benutzt.
VV wurde in Bayern 1973 abgeschafft weil die ASten eher Links und Progressiv waren und in einem CSU-Dominierten Land eher als unangenehm gesehen werden.
Andy(): Eine "Spielwiese" hat keine auswirkungen auf die außenwelt. In dem moment wo Sie das hat, wird sie natürlich von außenstehenden, denen Sie in ihre Politischen wirklichkeit hineingrätscht als kritisch angesehen.
Vicky (PD): Bandenwürtembergischer Spruchzur Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft 1977: linksgrünversiffter Sumpf muss ausgetrocknet werden. Wiedereinführung der VS dann 2012 bei grüner Regierung.
Jeanette: Stimmt Vicky zu. Sie findet es spannend, dass konservative Strömungen in der Politik oft demokratische Strömungen links der Mitte für gefährlicher achten als rechte Strömungen außerhalb des demokratischen Spektrums. Das führt an dieser Stelle aber zu weit und sie sieht auch keine einfache Lösung, das den entsprechenden Politiker:innen beizubringen.
Christiane: Tendenz Studentische Mitbestimmung einzuschränken. keine lineare Tendenz. Auch Abseits der Studierenden gibt es Bestrebungen die Demokratie einzuschränken. Akademische Selbstverwaltung soll zu Gunsten der Hochschulleitung verschoben werden. BY Governance Strukturen sollen frei gegeben werden. Unternehmerische Hoschule: Hochschulen werden immer mehr in Richtung unternehmerischer Strukturen gedrängt.
Christian (Marburg): Stärkt den Punkt von Andy, dass politische Übung nur funktionieren kann wenn man sich mit den selben Themen beschäftigt und auch eine Wirkung erzielt werden kann, selbst wenn sie klein ist.
Daniela: Bedankt sich bei Christiane für Input und Aufbereitung, der Rahmen ist für diese Diskussion sehr hilfreich. Können die Folien zur Verfügung gestellt haben.
Christian (Marburg): Freut sich über die Diskussion. Schade, dass nicht alle Positionen beleuchtet wurden. Fühlt sich besser informiert.
Manu bedankt sich ebenfalls bei Christiane und fand das einen sehr schönen Einstieg in die digitale ZaPF. Er findet den Punkt mit der demokratischen Spielwiese besonders interessant und nimmt ihn als Feedback mit.
Christiane bedankt sich für die Einladung, das Feedback und die Debatte. Folien werden ins Wiki gestellt. BY Novelle: Der BdWI macht im November zwei Veranstaltungen zu Eckpunkten der Novelle, sie wird Manu die Infos dazu weitergeben