WiSe11 AK ZEITlast-Studie
Auf der letzten ZaPF in Dresden wurde die ZEITlast-Studie vorgestellt, in der erstmals durch tägliches Protokollieren und nicht nur durch halbjährliche Schätzungen der Zeitaufwand verschiedener Studiengänge untersucht wurde (für Details siehe Reader der Dresden-ZaPF 2011). Die ZaPF begrüßte die neue Methodik der Studie und sprach sich dafür aus, die Studie auch auf Naturwissenschaften und insbesondere die Physik auszudehnen. Dies ist in diesem Wintersemester mit den Studiengängen Physik und Elektrotechnik in Bremen geschehen. Ziel des AKs war es, diese neuen Entwicklungen zu kommunizieren und weiteres Vorgehen zu besprechen.
Protokoll
Protokoll vom 26.11.2011
Beginn: 14:21
Ende: 16:00
Redeleitung: Tobias Reinhardt (TU Dresden)
Protokoll: Matthias Wilhelm (Uni Bonn)
Anwesende: Uni Augsburg, FU Berlin, HU Berlin, Uni Bielefeld, Uni Bremen, TU Chemnitz, TU Dortmund, TU Dresden, Uni Düsseldorf, Uni Frankfurt, Uni Hamburg, Uni Konstanz, Uni Magdeburg, LMU München, Uni Tübingen, Uni Würzburg, Uni Wuppertal
Bericht von Philipp aus Bremen
In diesem Wintersemester wird die ZEITlast-Studie von Prof. Schulmeister von der Universität Hamburg erstmals auch in zwei naturwissenschaftlichen Studiengängen - Physik und Elektrotechnik - an der Universität Bremen durchgeführt.
Dazu hatte sich die Fachschaft Physik in Bremen über ihr Dekanat mit Prof. Schulmeister in Kontakt gesetzt. Ziel der Fachschaft Bremen war dabei vor allem die Evaluation und anschließende Verbesserung ihres Physikstudiengangs. Der Versuch eines Beweises, dass Studierende der Naturwissenschaften bedeutend mehr als die in einem Zeitungsartikel der ZEIT über die ZEITlast-Studie genannte Durchschnittszahl von 23 Stunden pro Wochen fürs Studium arbeiten, stand im Hintergrund - auch da dies als Hauptgrund vermutlich nicht zu einer Finanzierung der Studie geführt hätte.
Die relativ hohen Kosten der Studie setzen sich aus den Lizenzgebühren sowie den Lohnkosten der Betreuer zusammen. Für das Software-Packet zur Studie verlangt Prof. Schulmeister einmalig 4000 Euro. Dies umfast 500 Euro für das Programm zur Verwaltung der Fragebögen selbst, sowie weitere Programme zur statistischen Auswertung und Ermittlung von möglicherweise fehlerhaften Angaben, auf die die Betreuer die Probanden somit hinweisen können. Die fünf Betreuer wurden aus 22 Bewerbern ausgewählt. Die Kriterien waren: Guter Zugang zum Internet, Fähigkeit zum eigenständigen, zuverlässigen Arbeiten und Kommunikationsfähigkeit per E-Mail in deutscher Sprache. Auf Grund der teilweise schweren Überprüfbarkeit dieser Kriterien war die Auswahl entsprechend schwierig. Die Aufgabe der Betreuer ist es, täglich die Bögen der Teilnehmer der Studie zur Sicherung der Datenqualität auf fehlende, fehlerhafte oder uneindeutige Einträge zu kontrollieren und die Teilnehmer in diesem Fall persönlich per E-Mail anzuschreiben. Dazu stehen ihnen in der Software Satzbauteile zur Auswahl zur Verfügung. Die Fragebögen sind für die Teilnehmer bis 17 Uhr des Folgetages zugänglich und werden dann gesperrt, um von den Betreuern bis 19 Uhr durchgesehen zu werden. Im Fall von fehlenden, fehlerhaften oder unklaren Angaben werden sie dann von den Betreuern wieder freigeschaltet. Den Betreuern wird eine Arbeitszeit von einer Stunde pro Tag zugemutet, in welcher sie erfahrungsgemäß 20-25 Bögen durchsehen können. Um eine tägliche Korrektur aller Bögen sicher zu stellen, ist des weiteren Kommunikation zwischen den Betreuern über gegenseitige Vertretungen im Krankheitsfall etc. notwendig.
Die Finanzierung der Studie erfolgt in Bremen über Langzeitstudiengebüren, da Finanzierungsversuche über andere Quellen scheiterten. Aufgrund der höher als erwarteten Kosten der Studie schränkte Bremen die Studie statt dem ursprünglich geplantem ersten und fünftem Semester auf das dritte Semester der Physik und Elektrotechnik ein. Das aktuelle Wintersemester wird als Testlauf betrachtet, um zu prüfen, inwieweit die Daten zu einer Evaluation des Studienganges geeignet sind. Wenn dies der Fall ist, soll die Studie fortgesetzt und ausgeweitet werden. Von den 35 Physikstudierenden im dritten Semester nehmen aktuell 25 an der Studie teil. Drei von diesen müssen oft auf mangelhaft ausgefüllte Bögen hingewiesen werden, der Rest kaum. 2 haben die Studie bereits von sich aus verlassen und 3 wurden ihr verwiesen. Aufgrund von gescheiterter Kommunikation und mangelnder Beteiligung des Fachbereichs Elektrotechnik ist die Teilnahmequote dort nur 12 von 40.
Da den Teilnehmern keine Aufwandsentschädigung gezahlt werde kann, wurden sie damit motiviert, dass ihr Studiengang dadurch verbessert werden kann. Ihre Bögen werden ihnen am Ende der Studie bereitgestellt, sodass sie ihr eigenes Zeitmanagment verbessern können. Des weiteren ist ein Workshop Zeitmanagement im Gespräch, der konkret auf die Bögen eingehen soll. Während des Verlaufs der Studie erfahren die Teilnehmer noch keine Auswertung ihrer Bögen, da die Daten durch ein daraus resultierendes verändertes Verhalten verfälscht werden könnten.
Alleine die Betreuer haben Zugang zur Verknüpfung der Bögen mit den Personalien der Probanden, da sie diese zur Kommunikation per E-Mail benötigen. Beim Beginn der Auswertung werden diese Verbindungen jedoch gelöscht. Um negative Einflüsse der Studie auf universitäres und privates Leben der Probanden von vorhinein zu unterbinden, wurden die Betreuer außerhalb der Gruppe der Lernenden und Lehrenden des Fachbereichs gewählt.
Diskussion
Die Diskussion im Arbeitskreis drehte sich um die Punkte: Ausweitung der Studie im Fach Physik auf alle Universitäten, Ziel einer solchen Ausweitung und Kosten der Studie.
Insbesondere im Kontext der Ausweitung der Studie wurde angemerkt, dass die Lizenzgebühren recht hoch sind. Es wurde angeführt, dass die Funktionen der Software leicht programmierbar und die statistische Auswertungsmethode der Studie zugänglich sein sollte. Es wurde der Wunsch nach einem quellfreien Programm geäußert und vorgebracht, dass die Programmierkosten weit unterhalb der Lizenzkosten für 50 Universitäten liegen würden.
Daraufhin wurde von Bremen entgegnet, dass sie in keiner Situation den Eindruck hatten von Prof. Schulmeister abgezockt zu werden. Ganz im Gegenteil leiste dieser mit seiner Arbeitsgruppe gute und zeitintensive Betreuung, was die Software und anderes betrifft. Zum Beispiel müsse die Software auf jeden Studiengang neu eingestellt werden. Somit sei die Studie für Prof. Schulmeister auch nicht kostenneutral. Des weiteren weist Bremen darauf hin, welchen großen Vorteil die Vergleichbarkeit darstellt, die durch die Verwendung des gleichen Systems gegeben ist. Der Einschätzung von Bremen zu Folge hat Prof. Schulmeister keine Kapazitäten um eine komplette Untersuchung aller Physikstudiengänge durchzuführen.Die anonymisierten Daten, die in Bremen erhoben werden, stehen sowohl der Universität Bremen, als auch Prof. Schulmeister frei zur Verfügung.
Eine große Gruppe der anwesenden Fachschaften befürwortet eine Ausweitung der Studie auf alle Physikstudiengänge. Es wird jedoch von einigen Fachschaften die Frage aufgeworfen, ob die jetzige Form der Studie für eine Datennahme in einem solch großen Stil überhaupt geeignet ist. Es wird von Bielefeld angebracht, dass für eine hochschulpolitische Wirkung der Studie eine Stichprobe genüge. Die Vergleichbarkeit der Universitäten wird jedoch von Dortmund bezweifelt, da sie noch nicht in einer Studie nachgewiesen wurde, Frankfurt sieht in einer flächendeckenden Datennahme die Vergleichbarkeit der Schwerpunkte der Universität als Hauptnutzen. Durch die Studie könne die Verteilung der Leistungspunkte und die Verteilung der Arbeitsbelastung angeglichen werden. Die absolute Anzahl der Leistungspunkte sei aber kein Indiz, da die Gesamtzahl der ECTS-Punkte auf 180 (im Bachelor) normiert wird.
Ein weiteres Ziel der Studie von Prof. Schulmeister ist es, die Korrelation von Zeitaufwandt und Studienerfolg (gemessen über die Noten von Leistungsnachweisen). Dafür erhielt Prof. Schulmeister an einigen Universitäten Zugriff auf die Daten der Prüfungsämter. Die ist in Bremen jedoch selbst mit einer Einverständniserklärung der Studierenden nicht möglich und es wird maximal über eine selbstständige, freiwillige Angabe der Noten nachgedacht.
Die LMU fragt an, ob ein Ausfüllen der Bögen über eine Maske möglich sein, da dies vermutlich weniger Teilnehmer abschrecken würde. Philipp antwortet, dass das Ausfüllen des Bogens ihn ohne Übung acht Minuten gekostet hat, und die Datenreinheit dem kleinen Komfortgewinn überzuordnen sei. Generell sei Prof. Schulmeister aber Anmerkungen und Variationsexperimenten gegenüber sehr offen eingestellt.
Weiteres Vorgehen
Auf der nächsten ZaPF soll ein Fortsetzungs-AK stattfinden. Dieser soll unbedingt “ZEITlast-Studie” heißen, um eine Verwechselung mit bereits seit langem auf ZaPFen stattfindenden Disskussions- und Austausch-AKs über den workload im Studium vorzubeugen.
Bremen wird so bald wie möglich über die ersten Daten ihrer Studie berichten. Darauf folgend sollen Anmerkungen erarbeitet werden, die auch im Durchlauf der Studie im nächsten Wintersemester in Bremen einfließen können.
Zusammenfassung
In Bremen wird die ZEITlaststudie dieses Wintersemester erstmals für naturwissenschaftliche Fächer, insbesondere die Physik, durchgeführt. Über die Details der Studie hat Philipp aus Bremen ausführlich berichtet und soll sobald wie möglich auch über ihre Ergebnisse berichten. In einem Fortsetzungs-AK mit Titel "‘ZEITlast-Studie"’ sollen dann Anmerkungen zu den Ergebnissen gesammelt und das weitere Vorgehen besprochen werden.