WiSe21 Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Vorstellung des AKs
- Verantwortliche/r: Alpaka (Alumnus)
- Ziel des AK: Genereller Austausch zum Thema wiss. Nachwuchs. Insbesondere gibt es in Berlin gerade ein neues Hochschulgesetz, aufgrund dessen eine Uni-Präsidentin zurückgetreten ist. Über die Vor- und Nachteile dieses Gesetzes können wir diskutieren.
- Handelt es sich um einen Folge-AK: Im Prinzip schon, es gab dazu z.B. in Berlin mal einen AK inklusive Resolution.
- Materialien und weitere Informationen: Es schadet nicht, ein paar Artikel zum Beispiel auf dem Wiarda-Blog zu lesen.
- Wer ist die Zielgruppe?: Menschen, die sich mit den Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Personals auseinandersetzen. Vor allem Leute, die das Gesetz in Berlin mitbekommen haben, sind angesprochen.
- Wie läuft der AK ab?: Genereller Austausch.
- Materielle (und immaterielle) Voraussetzung: -
- Sonstige Vorstellung: -
Arbeitskreis: AK Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Protokoll vom 13.11.2021
- Beginn
- 08:10 Uhr
- Ende
- 09:45 Uhr
- Redeleitung
- Merten (Alumnus)
- Protokoll
- Merten (Alumnus)
- Anwesende Fachschaften
- Universität Duisburg-Essen; Standort Duisburg,
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg,
- Universität zu Köln,
- Technische Universität München,
- Westfälische Wilhelms-Universität Münster,
- Universität Rostock,
Protokoll
Wir erklären die Novelle des Berliner Landeshochschulgesetzes. Die für diese Diskussion entscheidende Änderung ist, dass in Paragraph 110 Abs. 6 geregelt ist, dass promovierte WiMis *mit Befristungsgrund "Qualifikation"* in ihrem Vertrag eine Anschlusszusage haben müssen. Das heißt, dass im Arbeitsvertrag verbindliche Kriterien festgelegt sind, bei deren Erfüllung automatisch eine unbefristete Anstellung folgt.
In der Theorie sollte es nach diesem Gesetz ganz viele unbefristete Stellen geben. In der Praxis jedoch sind die wenigsten Postdocs offiziell auf Stellen mit Befristungsgrund "Qualifikation", der Regelfall ist eher der Befristungsgrund "Drittmittel". Für diese Stellen gibt es keine Anschlusszusage. Dies ist schon der Grund, weshalb das sog. Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) am Kern des Problems vorbei schießt. Dieses sieht vor, dass nach spätestens 12 Jahren befristeten Verträgen mit dem Befristungsgrund "Qualifikation" keine weitere Befristung mehr folgen darf. Jedoch bestehen weiterhin die berühmt-berüchtigten "Kettenverträge", da der Befristungsgrund ja so gut wie nie die Qualifikation ist.
In der Praxis wird sich also nichts verändern, außer dass die Unis kreativer darin werden, Befristungsgründe für Haushaltsstellen zu finden, die häufig als Übergangslösungen genutzt werden bis Drittmittel zur Verfügung stehen. Derzeit haben Berliner Unis teilweise eine Art Einstellungsstopp für Postdocs verhängt, da die Personalabteilungen sich zunächst einmal klar darüber werden wollen, wie sie mit der neuen Situation umgehen.
Eine systemische Veränderung ist jedoch aus den genannten Gründen höchst unwahrscheinlich. Die Frage ist jedoch, ob die Befürchtung der Unis wahr wird, dass sich nun reihenweise Postdocs in unbefristete Stellen einklagen. Ob dies passiert ist schwer vorauszusagen. Es sind schon jetzt viele Leute mit Daueraufgaben auf befristeten Stellen, die könnten sich schon jetzt theoretisch einklagen. Eine solche Klagewelle gibt es jedoch faktisch nicht (weil der Aufwand gescheut wird, man sich nicht mit seiner Arbeitgeberin streiten will,...).
Der Hintergrund der Gesetzesänderung ist zweifelsfrei die Debatte rund um den Hashtag #IchbinHanna. Dieser Hashtag kam auf, da das BMBF ein Video erstellt hatte, in dem das WissZeitVG erklärt und verteidigt wurde. Die Protagonistin dieses Video war die junge Wissenschaftlerin Hanna, die laut dem Video die Chance bekommt, an einer Universität eine Anstellung als Postdoc zu bekommen, da dank WissZeitVG das Wissenschaftssystem nicht von all den unbefristet angestellten Wissenschaftler:innen "verstopft" würde.
Was sind die Schlüsselargumente gegen das "Verstopfungsargument""? Es gibt hierzu ein Papier des "Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft" (NGA Wiss) (https://mittelbau.net/wp-content/uploads/2020/11/Personalmodelle_final.pdf), in dem durchgerechnet wird, wie die "Leistung" des aktuellen Systems auch mit mehr Dauerstellen aufrecht erhalten werden könnte? Die Wahrscheinlichkeit, eine Postdoc-Stelle zu bekommen ist laut diesem Papier auch sehr gut gegeben in einem System mit überwiegend Dauerstellen.
Vom Grundsatz her beruht das Argument auf dem Dilemma, Innovation durch neue Menschen ins System bringen zu wollen, gleichzeitig jedoch die praktische und theoretische Erfahrung der Personen erhalten will um dauerhafte Aufgaben sicherstellen zu können. Diese Daueraufgaben können immer schlechter sichergestellt werden, da es "unterhalb der Professur" praktisch keine unbefristeten Stellen mehr gibt. Personen, die sich während ihrer Promotion/Postdoc also mühsam in eine Aufgabe einarbeiten und einen riesigen Schatz an Erahrung aufbauen gehen im aktuellen System also systematisch verloren.
Wir fragen uns, wie es früher war, da es offensichtlich vor zwanzig, dreißig Jahren noch deutlich mehr Dauerstellen gab. Dies wird daran offensichtlich, dass die ganzen Personen, die damals auf Dauerstellen (für Daueraufgaben) gekommen sind und die Institute quasi zusammenhalten, nun in Rente gehen. Dies bringt teilweise Infrastrukturen zum Zusammenbrechen. Das heißt, die aktuelle Personalpoltitk von Unis ist eher das Gegenteil von "nachhaltig".
Wir sehen derzeit jedoch auch keine Möglichkeiten, wie das aktuelle System aus dem System heraus nachhaltig gestaltet werden könnte. Ein möglicher Folge-AK wäre also, eine Art "Utopia" zu bauen und sich ein Wissenschaftssystem zu malen, wie es sein sollte. Hier könnte ein Blick ins Ausland (oder auch ein - unverklärter - Blick in die Vergangenheit) hilfreich sein, wie es auch das Papier des NGAWIss beispielsweise tut.
Ausblick
In einem Folge-AK wollen wir ein Utopia bauen für eine Wissenschaft wie sie sein sollte mit Menschen, die eine berufliche Perspektive haben.
Zusammenfassung
Wir haben uns gegenseitig desillusioniert, was die Probleme des Wissenschaftssystems betrifft.
In der Theorie sollte es nach diesem Gesetz ganz viele unbefristete Stellen geben, der häufigste Befristungsgrund ist "Drittmittel" und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ändert nicht viel an den Problemen der Befristung. Wir sehen derzeit jedoch auch keine Möglichkeiten, wie das aktuelle System aus dem System heraus nachhaltig gestaltet werden könnte.
Links
https://mittelbau.net/wp-content/uploads/2020/11/Personalmodelle_final.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftszeitvertragsgesetz
https://www.youtube.com/watch?v=PIq5GlY4h4E&ab_channel=J%C3%B6rgThomsen
https://zapfev.de/resolutionen/sose17/mittelbau/mittelbau.pdf