WiSe16 AK Bachelor Master vs Diplom
Vorstellung des AKs
Verantwortliche/r: Matthias Lüth (Sprecher der BuFaK WiSo, TU Dresden), Felix Ramberg (Sprecher der KSS, Uni Leipzig)
Arbeitskreis: Bachelor/Master vs. Diplom
Protokoll vom 11.11.2016
- Beginn
- 16:15 Uhr
- Ende
- 18:15 Uhr
- Redeleitung
- Matthias Lüth (Sprecher der BuFaK WiSo, TU Dresden), Felix Ramberg (Sprecher der KSS, Uni Leipzig)
- Protokoll
- Nils Taeger (TU Dresden), überarbeitet von Matthias Lüth (Sprecher der BuFaK WiSo, TU Dresden)
- Anwesende Fachschaften
- RWTH Aachen,
- Universität Bayreuth,
- BuFaK-WiSo
- Heinrich Heine Universität Düsseldorf,
- Technische Universität Dresden,
- Technische Universität Bergakademie Freiberg,
- Technische Universität Ilmenau,
- Friedrich-Schiller-Universität Jena,
- Technische Universität Kaiserslautern,
- Konferenz Sächsischer Studierendenräte (KSS) und
- Fachhochschule Lübeck
Wichtige Informationen zum AK
Im AK erfolgt eine kurze Vorstellung des Bologna-Prozesses. Problemfelder im Vergleich zum Diplom werden umrissen und in der Gruppe diskutiert. Ebenso weswegen (vgl. AK der vorherigen ZaPF) eine Rückkehr mehr Probleme verursachen als lösen würde.
- Ziel des AK: Neben dem Umreissen vorhandener Problemfelder im Diplom bzw. BA/MA-System soll sofern möglich ein Vergleich gezogen werden. Um schlussendlich ein Ergebnis für die ZaPF zu haben, ob eine Beibehaltung ggf. Neueinrichtung von Diplom-Studiengängen auch wirklich eine gute Idee ist.
- Handelt es sich um einen Folge-AK: Jein, Vorwissen ist hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich.
- Materialien und weitere Informationen:
- Sorbonne-Erklärung,
- Bologna-Prozess (Landfried)
- Diplom-AKs: SoSe14 AK Wie war das Diplom, SoSe15 AK Diplom & SoSe16 AK Diplom
- Diplom-Rückehr/Bologna: SoSe16 AK Diplom Thüringen & ZiP Diplomrückkehr/Bologna-Reform
- Wer ist die Zielgruppe?: Einsteiger oder Erfahrene im jeweiligen Thema
- Wie läuft der AK ab?: Input-Vortrag dann Diskussion
- materielle (und immaterielle) Voraussetzung: Laptop, Wiki-Account
Einleitung/Ziel des AK
An Hand der Sorbonne-Erklärung werden zunächst die Ziele eines europäischen Bildungssystems von 1998 erarbeitet und mit dem heutigen Ist-Zustand verglichen. Mit dieser Grundlage wird der Text von Klaus Landfried analysiert, welcher den Bologna-Prozess konzeptuell gut findet, aber Sabotage vermutet. Letztlich wird aufgezeigt, dass die Zukunft der europäischen Bildungslandschaft aus einem modularisierten Bachelor-Master-System besteht.
Protokoll
Nach einer sehr motivierten Motivationsrakete stellen sich die beiden Workshop-Leiter und ihre Hintergründe (BuFaK WiSo und KSS) sowie den AK kurz vor.
Sorbonne-Erklärung
Der inhaltliche Teil des AKs beginnt mit der Sorbonne-Erklärung, welche zunächst gelesen und danach ausgewertet wird. Mehrere Kernaussagen werden analysiert:
- Schaffung gleicher Rahmenbedingungen im Bildungssystem in Europa verbunden mit internationaler Vergleichbarkeit
- Förderung der Mobilität der Lernenden und Lehrenden
- Lebenslanges Lernen
- Studium (berufsqualifizierender Bachelor) und Postgraduiertenstudium (kurzer Master und längere Promotion)
In gemeinsamer Diskussion werden diese Kernaussagen mit der selbst erfahrenen Umsetzung in den folgenden 20 Jahren verglichen.
Aus Ilmenau werden Erfahrungen zur Wiedereinführung des Diploms berichtet, welche aber darauf hinauslaufen, dass keine Vorteile gegenüber dem Bachelor-Master-System entstanden sind. Problematisch sind dafür aber Hochschulwechsel, Anrechnungen und die allgemeine Vergleichbarkeit. Hinzu kamen strukturelle Probleme, die eine Studienreform nach sich zieht. Von der WiWi-Fakultät in Dresden können die Erfahrungen bestätigt werden.
Es wird die These in den Raum gestellt, dass der europäische Austausch zwar besser funktioniert, aber noch nicht optimal. Diese wird durch mehrere Aussagen bestätigt, auch wenn es starke regionale Unterschiede gibt – eine globale Aussagen ist nur schwierig zu treffen, da kaum Statistiken vorliegen. Insbesondere negativ wird angeführt, dass ein Auslandsaufenthalt die Regelstudienzeit verletzt. Hier wird jedoch eingeworfen, dass die Regelstudienzeit ein Konstrukt ist, welches eigentlich ein Recht des Studierenden ist und keine Verpflichtung in dieser Zeit abzuschließen. An sich garantiert die Hochschule den Studierenden nur, dass es strukturell möglich ist, in der Regelstudienzeit ein Studium abzuschließen. Nichtsdestotrotz wird dies insbesondere durch BAFöG und Studiendokumente anders dargestellt und gelebt.
Eng verbunden mit den Schwierigkeiten bei der Anrechnung von Auslandsleistungen sind die Probleme, die bei einem Hochschul-Wechsel entstehen. Diese Probleme beziehen sich auf einen Wechsel zwischen sowohl auf fachlich verschiedene Studiengänge sowie fachlich gleiche Studiengänge zwischen verschiedenen Hochschulen (mit und ohne Abschluss). Problematisch ist, dass es häufig weniger Master-Plätze als Bachelor-Absolventen gibt. Gleichzeitig möchten die Hochschulen eigenen Absolventen bevorzugen, wodurch der Wechsel von einer anderen Hochscule durch spezielle Zugangsvoraussetzungen erschwert wird.
Im Bachelor-Master-System ist insbesondere in den natur- und den ingeniuerswissenschaftlichen Studiengängen eine zusätzliche schriftliche Arbeit, die Bachelor-Arbeit, hinzugekommen. Dadurch sind Bachelor-Studiengänge im Vergleich mit mit dem Diplom teilweise überladen. Auf der anderen Seite fördert die Bachelor-Arbeit das wissenschaftliche Arbeiten.
Nach längere Diskussion zeigt sich in vielen Fällen, dass prinzipiell nur wenige Probleme auf das Bachelor-Master-System zurückzuführen sind, sondern eher aus der schlechten Umsetzung in den Studiendokumenten stammen. Hier sollten sich die Beteiligte Studierendenvertreter für eine bessere Umsetzung einsetzen.
Warum der „Bologna-Prozess“ ein gutes Konzept war und bleibt, trotz mancherlei Unverstand und Sabotage bei der Umsetzung
Im zweiten Teil des AKs wird der Text Warum der „Bologna-Prozess“ ein gutes Konzept war und bleibt, trotz mancherlei Unverstand und Sabotage bei der Umsetzung von Klaus Landfried in Gruppen gelesen und gemeinsam analysiert.
Zunächst stellt Landfried fest, dass der Bologna-Prozess ein Wandel ist, der zwar schon eine Weile läuft, aber immer noch am Anfang fest. Parallel zum Bologna-Prozess ist der Anteil der Studierenden auf ca. 50 % gestiegen (von ca. 30 % in den 90-erm), so dass parallel zur Reform zusätzlich ein Studierendenanstieg verkraftet werden musste.
Die erste Kritik entsteht grundsätzlich aus jeden Strukturwandel heraus, da Angst vor Veränderung eines angeblich gut funktionierenden Systems besteht. Viele Probleme sind nicht durch falsche Ideen und Ansätze im Bachelor-Master-System entstanden, sondern durch falsche Anwendung und Gestaltung dieses. Wirklich strukturelle Fehler wurden in 60-er und 70-er Jahren gemacht als nicht verstärkt die Fachhochschulen bzw. Universities of Applied Science ausgebaut wurden, die eher die kürzere Berufsausbildung fokussieren. Gleichzeitig ist ein Bild entstanden, dass ein Universitätsabschluss mehr wert ist, obwohl er lediglich theoretischer ist, was für die meisten Berufe keine Vorteile bringt.
Ziel des Bologna-Prozesses ist es zunächst eine gleich strukturierte Architektur der Studienangebote zu schaffen, dass ist eben nicht verbunden mit einer Synchronisierung der Inhalte. Gleichzeitig müssen aber auch Möglichkeiten geschaffen werden, außerhalb der eigenen Hochschule erbrachte Leistungen anerkannt zu bekommen.
Die traditionelle deutsche Studienstruktur hatte enorme Schwächen mit der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und gleichzeitig gab es für das deutsche Diplom im Ausland keine Anschlussprogramme, so dass zunächst ein Master nachgeholt werden musste. „Das immer wieder kolportierte hohe Ansehen der deutschen Diplome beruhte fast ausschließlich auf Selbsteinschätzung, gestützt auf die höflichen Floskeln ausländischer Partner, nicht aber auf belastbaren Fakten.“ An sich ist außerhalb von Deutschland die deutsche (berufliche) Bildung hoch angesehen, weniger der Name des Titels.
Neue Qualitätssicherungsmaßnahmen kommen weniger aus dem Bologna-Prozess als aus dem Wunsch nach einer Berichtspflicht mit Angaben über Kosten und Nutzen bedingt durch die hauptsächlich aus Steuern finanzierte Hochschullandschaft. Landfried kritisiert stark, dass es zwar Elite-Förderung und Hochschulpakete in Deutschland gibt, aber keine ausreichend gestiegene Grundfinanzierung im Vergleich zu Studierendenzahlen und Inflation.
Andererseits legt Landfried den Fokus auf Weiterbildungsstudiengänge, welche berufsbegleitend sind, welche nur von wenigen Hochschulen angeboten werden, aber ein wichtiger Bestandteil des lebenslangen Lernens sind. Das Vollzeit-Studium ohne Nebenjob kann zur Zeit nur eine privilegierte Minderheit wahrnehmen.
Außerdem werden die starren Vorgaben einiger Länder, bspw. 180 LP = Bachelor-Studium, kritisiert. Hier bedarf es einer Flexibilisierung, um vermehrt abweichende Studiendauern zu ermöglichen. Gleichzeitig dürfen ECTS-Punkte und Module nicht „mechanisch“ gezählte und abgearbeitet Zeiteinheiten mit abgeprüften Wissensfetzen sein. Stattdessen müssen Kompetenzen und die Fähigkeit sich Wissen anzueignen gefördert werden, dies könnte durch Umsetzung des europäischen Qualifikationsrahmens erfolgen. Dadurch würde außerdem die Durchlässigkeit steigen, da Anerkennungen weniger auf konkrete Inhalte, sondern auf Kompetenzen überprüft werden müssen. Man könnte außerdem einige sehr begabte Bachelor-Absolventen direkt zu einem Promotionsstudium zuzulassen.
Abschließend zählt Landfried einige Herausforderungen auf, denen sich das deutsche Bildungssystem in nächster Zeit stellen muss: eLearning, frühkindliche Bildung, moderiertes Selbstlernen und ähnliches. Dies steht in Verbindung mit der Vermittlung von Kompetenzen im krassen Gegensatz zum zur Zeit gelebten Bildungserlebnis, welches zu großen Teile aus der Reproduktion von auswendig gelerntem Wissen besteht.
Zusammenfassung
Der Bologna-Prozess muss weiter fortgesetzt werden. Eine vereinzelte Rückkehr zu alten Pseudo-Abschlüssen wird den Prozess nur bremsen, nicht aufhalten und schon gar nicht verbessern. Das Hauptziel einen europäischen Bildungsrahmen zu schaffen ist sehr begrüßenswert und ist nur möglich, wenn sich alle auf allen Ebenen strukturell und konzeptionell beteiligen. Dabei muss ein einheitlicher Rahmen mit einer einheitlichen Richtung geschaffen werden ohne zu starre Vorgaben zu machen. Das Hochschulsystem muss sich dabei an die neuen Gegebenheiten, besonders in Bezug auf die IT-Systeme, anpassen. Ungeachtet des technischen Fortschritt ist die Einbindung der Forschung in die kompetenzorientierte Lehre zwingend notwendig.