SoSe24 AK Zivilklausel-Geopolitik
Vorstellung des AKs
Verantwortliche*r: Stefan, Jonathan, Annemarie, Freddy, Philipp
Einleitung und Ziel des AK
Die öffentlichen wissenschaftlichen Institutionen in Deutschland, allen voran öffentliche Hochschulen, stehen zunehmends im Zentrum geopolitischer Auseinandersetzungen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat zuletzt ein Positionspapier verfasst, in dem sie sich für eine Vertiefung des Austauschs zwischen den Einrichtungen der zivilen und militärischen Forschung ausspricht. Dabei sollen Forschungsergebnisse, die sich aus diesen Zusammenhängen ergeben und damit besonders "sensibel" oder "sicherheitsrelevant" seien, vor Spionage v.a. durch China geschützt werden. Dies geht sogar so weit, dass "informelle Kontaktaufnahme", wie es z.B. der zwischenmenschliche Kontakt von deutschen und chinesischen WissenschaftlerInnen darstellt, als Kompromittierung der Sicherheit aufgefasst wird. Hochschulische Zivilklauseln werden als nicht mehr "zeitgemäß" und als Bremse für die "Zeitenwende" bezeichnet. Sie sollen überprüft oder gar abgeschafft werden. Ebenso gibt es Ansätze zu Umdeutungen des Friedensbegriffs, wie er in den meisten Zivilklauseln vorkommt, hin zu einem "Sicherheits"begriff.
Vorreiter ist das aktuell diskutierte Bayerische Bundeswehr-Gesetz. Die bayerische Hochschulkonferenz hat dazu eine brisante Stellungnahme verfasst.
Auf EU-Ebene wird ebenfalls die Verschmelzung ziviler und militärischer Forschung geplant. Die EU-Kommission hat ein white paper, Bericht dazu veröffentlicht, in dem eine Forschungsförderung von zivilen Projekten verknüpft werden soll an eine militärische Verwertbarkeit etwaiger Forschungsergebnisse. Dies soll die "strategische Autonomie" der EU stärken.
Wir wollen uns an Hand des Entwurfs für ein Bayerische Bundeswehrgesetz und des EU-Whitepapers zu Dual Use ansehen, worauf die Angriffe auf Zivilklauseln zielen und was wir dagegen in der Hand haben.
Handelt es sich um einen Folge-AK?
Ja/Nein, Link zum Protokoll des alten AK, Ist das Vorwissen zwingend erforderlich oder ist das Vorwissen hilfreich, aber nicht notwendig?
Wer ist die Zielgruppe?
Z.B. Alle ZaPFika, Einsteiger*innen oder Erfahrene im jeweiligen Thema, Alumni/Alte Säcke, Lehramtika, in den Akkreditierungspool Entsandte, etc.
Wie läuft der AK ab?
Z.B. Input-Vortrag dann Diskussion, welche Themenschwerpunkte sollen besprochen werden?
Voraussetzungen (materielle und immaterielle)
Z.B. Laptop, Accounts (Wiki-Account, Studienführer-Account), Git-Kenntnisse, Programmierkenntnisse
Materialien und weitere Informationen
- https://www.bayern.de/wp-content/uploads/2024/02/Entwurf-Gesetz-zur-Foerderung-der-Bundeswehr.pdf
- https://www.gew-bayern.de/aktuelles/detailseite/zum-gesetzentwurf-zur-foerderung-der-bundeswehr-in-bayern
- https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/14060-RD-on-dual-use-technologies-options-for-support/F3464845_en
SoSe24 AK Zivilklausel-Geopolitik
Protokoll vom tt.mm.jjjj
- Beginn
- HH:MM Uhr
- Ende
- HH:MM Uhr
- Redeleitung
- Vorname Nachname (Uni)
- Protokoll
- Vorname Nachname (Uni)
- Anwesende Fachschaften
Protokoll
- schon viele ZaPF-AKs zur Zivilklausel
- Definition Zivilklausel
Verpflichtung der Uni, keine Waffen-/Militärforschung zu betreiben Friedensklausel: Forschung darf nur dem Frieden dienen zusätzlicher Vorteil: Transparenz und Kontrolle, wohin Drittmittel fließen
historische Entwicklung in Deutschland
- klassisch: Auflagen der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin
- nach der Wende: offiziell nicht mehr nötig
- Ende der 1990er: Niedersachsen unter Schröder
- Friedensdividende
- kein staatliches Geld für Waffen- und Militärforschung
- von CDU später gekippt
- 2015: Friedensklausel in NRW in den Grundordnungen aller Unis
- später von schwarz-grün (?) gekippt, aber steht noch in den Grundordnungen
- in Hessen nicht im Gesetz, dennoch einige Hochschulen mit Zivilklausel
- Begründung: ohne Zivilklausel Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit
- früher gegenteilige Begründung: Wissenschaftsfreiheit verhindert Zivilklausel
- nun: Beratungsangebot seitens der Politik für die Hochschulen zum Abschaffen der Zivilklauseln
- aktuell problematisch: Bayern und EU
Input: Militarisierung in Bayern
- Idee für Bayerisches Bundeswehrgesetz (recht kurzer Text)
- Regelungen
- Bundeswehr hat ungehinderten Zugang zu Schulen
- Resolution gegen Verpflichtung der Schulen, für politische Bildungsarbeit, mit Bundeswehr zusammenzuarbeiten
- Zivilklauseln an Unis sind verboten (gibt ohnehin nur eine in Bayern)
- Forschungsergebnisse uneingeschränkt NATO-Armeen zur Verfügung zu stellen
- Bundeswehr/Verteidigungsministerium kann Unis zu Zusammenarbeit zwingen
- Denkmalschutz gilt nicht, wenn Bundeswehr es nicht will
- Regelungen
- eigentlich Bundesangelegenheit, keine Entscheidung des Landes
Fragen
- Marburg: Von wann ist der Entwurf? – Januar 2024
- Ulm: Wenn Hensoldt (Rüstungskonzern) vertrauliche Forschung macht, muss diese auch an Bundeswehr weitergegeben werden? – vermutlich nicht der Hintergedanke, aber prinzipiell ja, denn Abgrenzung eher zu China als „untereinander“ (zu „heimischen“ Rüstungskonzernen)
- Gilt das in allen Bereichen, müssen sie unbedingt militärrelevant sein? – Forschung z.B. zu romantischen Gedichten nicht verboten, aber muss auch Bundeswehr zugänglich gemacht werden, wenn
- Leipzig: Ist ein Eingriff in das Haushaltsrecht der Uni (wegen öffentlicher Forschung) möglich? – können wir juristisch in dieser Runde nicht klären, vermutlich eher ein ideologischer Eingriff als ein rechtlicher, um die Unis auf Linie zu bringen
- Was sind Möglichkeiten für Widerstand (Forschungsergebnisse „verzögern“ sich ;) etc.) und kann man gekündigt werden? – nicht geklärt, wie gesagt eher ideologischer Vorstoß
- Chemnitz: Verbote und Verpflichtungen auf Hochschulen bezogen, nicht auf Einzelpersonen? – Pistorius: „Gesellschaft“ muss kriegstüchtig werden, also nicht Einzelpersonen, sondern flächendeckend
Input: Militarisierung auf EU-Ebene
- EU-Whitepaper zu „Dual Use“ als Programm: nur noch Geld für Forschung mit nicht nur ziviler, sondern auch militärischer Nutzung
- European Economic Security Strategy: Aufrüstung als ökonomisches Ziel (Wettbewerbsvorteile)
- billiger Handel
- EU ohnehin großer Waffenexporteur
- keine Nutzung der Waffen, sondern nur Abschreckung und wirtschaftliche Stärke
- De-Risking
- bisherige Programme
- Horizon Europe (zivil)
- European Defence Fund (militärisch)
- Horizon Europe soll nun durch „Dual Use“ auch militärisch werden
- erstreckt sich von der Grundlagenforschung bis zur ökonomischen Verwertbarkeit (EU als Marktführer)
- finanziert von European Investment Bank (günstige Kredite) und EU-Mitgliedsbeiträgen
- Befürchtung, dass nichts mehr für zivile Zwecke übrig bleibt
- Frankfurt: schon längerer Streit in der EU
- Public Procurement für Rüstungsforschung
- Begründung: ökonomische Fragestellung, angeblich ist „Dual Use“-Forschung effizienter
- Streit mit European Defence Agency, weil EU-Kommission zu mächtig wird
Input: Bundesweite Zivilklausel-Vernetzung
- geostrategische Forschung im Sinne aller (z.B. im Gesundheitsbereich)
- Frage der wissenschaftlichen Kooperation (z.B. mit Russland)
- Teilnahme an der Hochschulrektorenkonferenz (HRK)
- Gespräch mit Rektoren aller deutschen Unis
- Frage nach deren Positionen zu Zivilklausel und EU-Whitepaper: interne Uneinigkeit
- Ermutigung der fortschrittlichen Professoren – trauen sich häufig nicht, sich gegen öffentliche Debatte zu stellen
- Forschung für den Menschen oder Forschung für Partikularinteressen?
- Zitieren kritischer Stimmen aus der Wissenschaft
Fragen und Anmerkungen
- Link zum Mailverteiler gewünscht: (...) bitte hinzufügen !!!
- Chemnitz: Grundordnungsänderung soll Zivilklausel ändern
- „Forschung, Lehre und Studium sollen friedlichen Zwecken dienen“
- „friedlichen Zwecken dienen“ wird zu „dem Erhalt des Friedens dienen“
- vom Friedens- zum Sicherheitsbegriff
- Frankfurt: Zivilklausel an der Goethe-Uni ist sicher
- aber: bezüglich politischer Entscheidungen gegen Zivilklausel nicht warten, bis etwas passiert, denn dann ist es zu spät
- viele Studierende unterstützen Zivilklausel, Fachbereich Physik setzt sich für Zivilklausel ein, einige angewandte Physiker sind dagegen
- NRW: AfD-Antrag im Landtag Ende Februar
- Landesregierung soll Hochschulen nicht zwingen, aber „anregen“, die Zivilklauseln aus den Grundordnungen zu streichen, und für „Sicherheitsforschung“ „sensibilisieren“
- Gegenargument war Hochschulautonomie
- CDU (Teil der schwarz-grünen Landesregierung): NRW ist in Sachen „Sicherheitsforschung“ schon sehr gut aufgestellt
- gegen EU-Whitepaper: EU als Friedens-, nicht als Rüstungsprojekt
- CDU-Mann in NRW ist froh über Rheinmetall-Ansiedlung an ehemaligem Flughafen und wünscht sich Kooperationshochschule
- kritisiert aber Stärkung des militärisch-industriellen Komplexes
- wünscht sich, dass die anderen Hochschulen in NRW Friedensforschung betreiben und Druck gegen Militärforschung machen, weil er allein das nicht kann
- im Eckpunktepapier zum Hochschulstärkungsgesetz NRW befindet sich „kann“-Formulierung für Zivilklausel
Provokante These: Ist Drohpotential oder Wirtschaftskrieg nicht sogar sinnvoll zum Verhindern echter Kriege?
- wichtig: Unterscheidung friedensfähig vs. kriegstüchtig
- „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“ -> Wirtschaftskrieg führt mutmaßlich zu heißem Krieg
- 3000 nukleare Sprengköpfe auf der Welt verteilt, hochgefährlich
- im Wirtschaftskrieg schotten sich beide Seiten voneinander ab
- bereiten sich wirtschaftlich auf eine heiße Kriegssituation vor
- Frage nach dem Leid: kann im Wirtschaftskrieg ebenfalls sehr groß sein (Hunger, Krankheit)
- Positionierung zu „Dann sind wir halt eine Wirtschaftsmacht, die anderen Ländern drohen kann“?
Diskussion
Was ist ein Wirtschaftskrieg?
Welche Folgen hat ein Wirtschaftskrieg?
Ist ein Wirtschaftskrieg die bessere Alternative zu einem bewaffneten Krieg?
Konsequenzen?
- gegenseitiges Hochheizen oder externer Anlass?
- Vergleichbarkeit der politischen/wirtschaftlichen Systeme?
- China: ebenfalls kapitalistisches Wirtschaftssystem
- kleine Volkswirtschaften: Machtasymmetrie
- hier eher Wirtschaftskriege zwischen großen Volkswirtschaften betrachtet
- These: keine Trennung Wirtschaftskrieg/heißer Krieg, denn seit 30 Jahren Wirtschaftskrieg EU vs. China bezüglich
- Ressourcenzugang in der Welt
- Sicherung von Handelsrouten
- Konkurrenzfähigkeit
- Köln: Zustimmung, aber wer profitiert? Nicht die Bürger, die in den Krieg ziehen müssen.
- Positionierung zur Implikation: Abschaffung der Zivilklausel führt zu einem Beitrag zum Wirtschaftskrieg
- Mainz: Differenzierung zwischen Phase eines Wirtschaftskriegs und eines aktiven Kriegs, Bayern und EU zeigen Bewegung von Wirtschaftskrieg zu Kriegswirtschaft auf
- Potsdam: Zustimmung, Abschaffung der Zivilklausel als Eskalationsstufe
- Leipzig: Kriegswirtschaft recht starker Begriff, aktuell kein Realitätsbezug
- Braunschweig: „Butter oder Kanonen“-Narrativ in öffentlicher Debatte schon vertreten
- verschlafene Energiewende in Deutschland, dafür groß angestoßen in China
- Grundcharakter: „Man geht unter, wenn man nicht mithalten kann“
- man könne nicht beides haben (Klimaschutz und Frieden?)
- Stark-Watzinger (Bildungsministerin): Konfrontation mit China, jegliche Kooperation prüfen, Zivilklauseln abschaffen
- in Bayern nur eine Uni mit Zivilklausel, daher neue Regelungen mit keinen großen juristischen Konsequenzen, stattdessen psychologische Auswirkungen
- Eskalation beim Wirtschaftskrieg, psychologischer Effekt: militärisches Interesse wird über die Forschung gestellt, keine Gleichberechtigung zwischen Militär und Forschung mehr
- keine Unterschätzung des kulturellen Aspekts: sehr zivile Gesellschaft, Militär hat schlechtes Bild, soll durch aktuelle Debatte und kleine Schritte (wie die Abschaffung der Zivilklauseln) gewendet werden, später wieder Kriegsbereitschaft
- Potsdam: Problem nicht, dass Grundlagenforschung niemals militärisch genutzt werden soll (leider unvermeidlich), sondern, dass die Bewilligung von Forschungsvorhaben nun von militärischem Nutzen abhängig gemacht wird
- Frankfurt: Biden-Regierung mit neuen Sanktionen gegen China, 100-Prozent-Zölle auf E-Autos, wirkt sich letztendlich auf den Geldbeutel der Bürger aus; (soziale) Austerität, Sparpolitik überall außer im Rüstungssektor, z.B. große Forschungsprojekte im Bereich „Autonome Waffensysteme“
- Frankfurt: Auf welche Lösung wollen wir hinarbeiten? Kapitalismus abschaffen? Kann nur der Westen etwas tun?
- Prisoner’s Dilemma: Wer hat angefangen?
- zivilisatorische Errungenschaften sollen erhalten bleiben
- wurden unter noch schlechteren Bedingungen erkämpft
- China und USA schon zu stark im Konflikt
- daher EU als möglicher Startpunkt für Deeskalation
- ZaPF könnte Friedensadresse (?) statt Resolution veröffentlichen
- TU München: Wunsch nach Resolution zu Bayerischem Bundeswehrgesetz, vielleicht Aufforderung an Unis, Zivilklauseln anzunehmen
- Potsdam: Vorschlag zur Weiterführung in Backup-AK 2 für Resolution
- Leipzig: hohe Komplexität konnte nicht vollständig herausgearbeitet und geklärt werden, konkrete Resolution zu Bayerischem Hochschulgesetz, Aufforderung an die bayerischen (und allgemein alle deutschen) Hochschulen, sich dagegen auszusprechen
- globale Friedensdividende ansprechen und Abrüstung verlangen
- vielleicht Resolution für Zusammenführung mit AK „Schule und Krieg“?
- wichtig: bisher keine Stellungnahme aus deutschen Studierendenschaften, in anderen europäischen Studierendenschaften starke Kritik an Deutschland
Zusammenfassung/Ausblick
Bitte überlege vorher, ob der AK vielleicht in eine bereits existierende Kategorie einordbar ist (im Kategorienbaum unter Inhalte). Falls nicht kann die Sonstige Kategorie verwendet werden ([1]).
[[Kategorie:{{{Thema}}}]]