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WiSe17 AK Rote Fäden der Studienreform: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Weitreichende Reformkonzepte'''
'''Weitreichende Reformkonzepte'''
* in situ
* Integrierte in situ / Projektarbeit ermöglicht, die Trennung von Inhalten des eigenen Faches und Methoden lebendig zu verbinden. Zudem bieten sie sich an, um alle Sinne anzusprechen, selbst produktiv zu sein und die Sichtweisen verschiedener Disziplinen miteinander zu verbinden. Hier sei exemplarisch auf die [https://zapf.wiki/images/2/28/Paper_zum_in_situ-Projekt.pdf Dokumentation] solcher in situ-Lehrformate am KIT verwiesen.
* Princeton und Wuppertal
 
* Werkstatthefte der Gesamthochschule Kassel
* Es gibt amerikanische Hochschulen, die in jüngster Zeit mit Studiengängen gute Erfahrungen gesammelt haben, bei denen man sich nicht für ein bestimmtes Fach einschreibt, kein Studienverlaufskozeot hat und auch keine Prüfungen. Stattdessen kann man die herkömmlichen Veranstaltungen beliebig besuchen, schreibt aber mehrere Bachelor-Arbeiten, von deren inhaltlicher Ausrichtung letztlich das Fach auf dem Abschlusszeugnis abhängt. Diese Studiengänge ermöglichen einerseits herkömmlich zu studieren. Andererseits kann man aber auch direkt mit einer (produktiven, weil an die aktuelle Forschung angebundenen) Bachelorarbeit beginnen, sich dafür beliebig lange Zeit nehmen und diese Zeit nutzen, um sich in den Lehrveranstaltungen immer genau die Kenntnisse anzueignen, die man gerade zum Weiterkommen braucht. Dies treibt die "Exkurs"-Idee ins Extrem: Es wird nicht nur die Mathematik als Exkurs in die Physik integriert, vielmehr wird die gesamte Aneignung der Grundlagen auch der Physik als Exkurs in die Bachelorarbeit integriert. In der Praxis machen laut Berichten fast alle Studierenden zwischen den beiden Extremlösungen und die Erfahrungen damit scheinen vielversprechend zu sein. In Wuppertal gibt es eine vorsichtige Adaption dieser Idee. Dort gibt es einen 4-jährigen Ba-Studiengang "Naturwissenschaften", bei dem es im ersten Jahr auch kein Curriculum gibt. Nach einem Jahr spezialisieren sich die Studis dann in einer Naturwissenschaft und erhalten am Ende einen normalen Bachelorabschluss darin. Auch hier sind die Erfahrungen offenbar positiv.
 
* In den leider nur schwer erhältlichen hochschuldidaktischen Werkstatthefte der Gesamthochschule Kassel aus den 70er und 80er Jahren sind viele Überlegungen und Erfahrungen mit Konzepten, die in diese Richtungen gehen, dokumentiert.


=== Lernen wie ein*e Geisteswissenschaftler*in? Spiralcurricula im Physik-Studium ===
=== Lernen wie ein*e Geisteswissenschaftler*in? Spiralcurricula im Physik-Studium ===
Vorgestellte und diskutierte Thesen:
* Es funktioniert selten überzeugend, wenn Veranstaltungen aufeinander aufbauen, weil
** die Studierenden Dinge wieder vergessen haben,
** die Dozierenden sich nicht richtig absprechen,
** die Studierenden aus verschiedenen Gründen verschiedene Voraussetzungen mitbringen, weshalb nicht klar ist, worauf aufgebaut werden kann / soll.
* Wenn man beobachtet, wie Physik tatsächlich gelernt wird, wie etwa eine Gruppe von Studierenden Übungen löst, hat das wenig mit dem Bild zu tun, das oft von Naturwissenschaften vermittelt wird, nämlich, dass systematisch klar aufeinander aufbauend gearbeitet würde. Vielmehr schärfen sich Einsichten, Lösungen etc. unter kreisenden gedanklichen Bewegungen Stück für Stück immer mehr heraus, bis sie am Ende als systematisches Ganzes aufgeschrieben werden können. Dabei wird mehr oder weniger systematisch ausprobiert, viel diskutiert, immer wieder wechselndes Material hinzugenommen. Ähnlich entwickeln sich Begriffe, Kategorien, universelle Strategien usw. Genau so funktioniert auch physikalische Forschung; jedenfalls ist sie nicht axiomatisch und beginnt mit einer festen Definition, auf die aufgebaut würde o.ä. diese Arbeitsweise ist das, was Geisteswissenschaftler*innen "Hermeneutik" nennen.
* Es wird im Studium ein falsches Bild davon transportiert, wie Naturwissenschaften funktionieren. Das führt zu mehreren Problemen:
** Faktisch sind Veranstaltungen nicht so konzipiert, dass man auf Anhieb alles verstehen könnte, sondern sind eher eine erste Kreisbewegung der Gedanken um das Thema. Weitere Kreisbewegungen finden statt, beim Lösen der Übungen, in den Übungen selbst, im Praktikum, beim Wiederholen für die Klausur (wer würde behaupten, dass das wirklich nur Wiederholen wäre, wie man etwa Vokabeln wiederholt), in weiteren Vorlesungen. Studierende, die das zu Beginn ihres Studiums noch nicht wissen und denken, sie müssten auf Anhieb alles verstehen, sind oft zu Unrecht eingeschüchtert mit all den negativen Folgen, die das nach sich zieht.
** Weil Hermeneutik nicht als naturwissenschaftliche Methode gilt, lernt man sie nicht systematisch im Studium, sondern schaut sie sich im besten Fall ab. Das ist ein deutlich steinigerer Weg, als wenn man die Methode halbwegs systematisch lernen würde, wie etwa Geisteswissenschaftler sie lernen.
** Veranstaltungen werden mit falschen Prämissen im Hinterkopf gestaltet und besucht.
* In Köln wurde die Historie der Studiengänge mit der Historie der Evaluationen grob verglichen. Dabei hat sich heraus gestellt, dass es meist zu Verbesserungen geführt hat, wenn von aufeinander aufbauenden Veranstaltungen übergegangen wurde zu Veranstaltungen, die das gleiche Thema jeweils eigenständig von Anfang an beleuchten, dabei aber verschiedene Perspektiven / Zugänge in den Blick nehmen.
* Bei genauerem Hinsehen sind viele Studiengänge an mehreren Stellen gemäß eines Spiralcurriculums aufgebaut: die gleichen physikalischen Themen werden in den Experimentalphysik-Vorlesungen, in den Theorie-Vorlesungen und im Praktikum behandelt, nicht strikt aufeinander aufbauend, sondern immer wieder von Neuem unter verschiedenen Blickwinkeln, mit Hilfe verschiedener Methoden und bei oftmals steigendem Niveau.
* Vorschlag: Aus der Not eine Tugend machen: Wenn die Veranstaltungen im Wissen, dass man faktisch eh ein Spiralcurriculum hat, bewusst in diese Richtung weiter entwickelt werden (anstatt sich darüber zu ärgern, dass die studierenden schon wieder nicht mitbringen, was sie vermeintlich im Xten Semester können müssen, weil es ja im Yten hätte dran gewesen sein müssen) bietet das einige Vorteile:
** Weniger falsche Hoffnungen und damit Enttäuschungen auf allen Seiten
** Eine Arbeitsweise, die systematisch und nicht nur zufällig berücksichtigt, wie physikalische Forschung eigentlich funktioniert und damit zur Einheit von Lehre und Forschung beiträgt
** Reduktion der strikten Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Veranstaltungen und damit ein flexibleres und selbstbestimmteres Studium, Stichwort: Entschulung
** Dadurch u.a. deutlich bessere Möglichkeiten, in Teilzeit zu studieren.


* In Köln gibt es schon mehrere Jahre einen Streit (zwischen Dozierenden), ob die theoretische Physik historisch-genetisch-klassisch (mit Kreuzprodukt in der Reihenfolge ihrer historischen Entwicklung, Maxwell als Verallgemeinerung von Coulomb...) oder axiomatisch-modern (ausschließlich Differenzialformen, maximal allgemein von Anfang an, ohne historischen Bezug, stattdessen von Anfang an Bezug zu modernen Ansätzen wie Topologie, Maxwell aus den Raumaxiomen herleiten...) gelehrt werden soll. Angesichts dessen bietet es sich an, die Grundlagen der Physik im Rahmen eines Spiralcurriculums bewusst in 5 verschiedenen Veranstaltungsreihen unter 5 verschiedenen Aspekten '''nicht aufeinander aufbauend, aber aneinander anschlussfähig''' zu lernen: Experimentalphysik, Praktikum, theoretische Physik historisch-genetisch-anschaulich mit Schwerpunkt auf den Grundzusammenhängen (und ohne Rechentricks), theoretische Physik axiomatisch-modern inklusive state-of-the-art Rechenmethoden, Computerphysik für den Simulationsaspekt. Ein Nebeneffekt wäre, dass man bei kluger Wahl der Reihenfolge erst relativ spät höhere Mathematik bräuchte. Dann müsste man die Studierenden mit der höheren Mathematik nicht direkt in den Anfangssemestern erschlagen, sondern könnte die ein bisschen über das ganze Studium verteilen. Auch könnte es motivierend sein, wenn der Anfang des Studiums auch tatsächlich mehr mit dem Fach zu tun hätte, für das man sich eingeschrieben hat. Umgekehrt schadet es auch nicht, wenn man im 4. Semester nochmal ein bisschen Mathe macht.


== Und in Zukunft? ==
== Und in Zukunft? ==
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[[Kategorie:AK-Protokolle]]
[[Kategorie:AK-Protokolle]]
[[Kategorie:WiSe17]]
[[Kategorie:WiSe17]]
[[Kategorie:Curriculum]]
[[Kategorie:Bachelor/Master]]
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[[Kategorie:Vorlagen]]
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