SoSe16 AK Klausurzulassungen & Übungsbetrieb

Aus ZaPFWiki

Vorstellung des AKs

Verantwortliche/r: Stefan (Uni Köln), Jan-Philip (Uni Köln)

Folge-AK zu: Sinnvolle Gestaltung von Übungs- und Praktikumsbetrieb; Projektarbeiten [1]

In den Übungs-AKs der vergangenen Zapfen wurde umfangreich über die verschiedenen Varianten des Übungsbetriebs berichtet und das Für und Wider der Varianten diskutiert.

Im letzten Semester gab es in Köln ausgelöst durch ein Rechtsgutachhten in den Gremien einen recht heftigen Streit über den Sinn und Unsinn von Klusurulassungen. Derzeit läuft ein Evaluations- und Reformprozess an, bei dem ein sinnvollerer Übungs- und Praktikumsbetrieb herauskommen soll.

Im AK wollen wir zunächst an Hand der zwei am weitesten auseinander liegenden Stellungnahmen aus Köln der Frage nachgehen, warum diese Kontroverse relativ hohe Wellen schlägt und was wir selbst davon halten. Anschließend wollen wir das von den Kölner Fachschaften erarbeitete Konzept für den weiteren Evaluations- und Reformprozess vorstellen und diskutieren.

Arbeitskreis-Formalia

Protokoll vom 7.5.2016

Beginn
13:30 Uhr
Ende
15:30 Uhr
Redeleitung
Jan Gärtner, Stefan Brackertz (Uni Köln)
Protokoll
Stefan Brackertz (Uni Köln), Stanislav Stoyanov (Uni Konstanz)
Anwesende Fachschaften

Protokoll

Input: Lage in Köln

Vorgeschichte

Verlauf:

  • Rektorat findet Klausurzulassungen an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zu regide und gibt Rechtsgutachten in Auftrag, dass diese in der bisherigen Form rechtswidrig seien. (Einschätzung der FS Köln: Die Sache ist strittig, gibt Gutachten mit allen beliebigen Aussagen. Wenn man will, kann man alle Varianten rechtssicher aufschreiben. Die Frage ist politisch.)
  • In NRW neu eingeführte Studienkommission, in der Studis die Hälfte der Stimmen haben, beauftragt Fakultät, die Regelungen zu ändern.
  • Vor allem Studiengangskoordinatoren proben Aufstand. Begründung: Man befürchtet steigende Durchfallquoten. Das sei einerseits unverantwortbar den Studis gegenüber, andererseits will man sich angesichts des Druckes der Landesregierung, die Quote der Studienabbrecher*innen zu senken, alle Mittel offen halten.
  • Stellungnahmen der Fachschaften werden unter hohem Zeitdruck angefordert - teilweise unter Falschdarstellung der Lage. Die Stellungnahmen sind sehr verschieden.
  • (Angesichts von fehlenden Leuten) hätten Studis in der Studienkommission die Möglichkeit gehabt, die Klausurzulassungen abzuschaffen. Stattdessen wurde folgendes Vorgehen von den Studis vorgeschlagen und beschlossen: Erstmal bleiben Modulhandbücher (die das regeln) wie gehabt, treten aber nach 2 Jahren komplett außer Kraft. In der Zwischenzeit soll Evaluations- und Reformprozess stattfinden

Primäre Gründe für Beschluss:

  • Der Übungsbetrieb ist insgesamt stark verbesserungswürdig. Restriktionen los zu werden ist richtig, reicht aber nicht. Was hilft es, wenn die Leute die Übungen einfach nicht mehr machen?
  • Machtpolitik (Ausnutzen des Fehlens einiger Kommissionsmitglieder) ist nicht überzeugend und zerstört demokratische Kultur

Sekundäre Gründe für den Beschluss:

  • Unter bestimmten Voraussetzungen hätte der Beschluss vom Senat aufgehoben werden können.
  • Es nützt nichts, fortschrittliche Regelungen zu beschließen, wenn sie nicht getragen werden, führt nur zu Umgehungs-Kreativität

Entgegengesetzteste FS-Stellungnahmen

Stellungnahme der FS Bio

Media: Stellungnahme_Bio.pdf

Argumentation:

  • Paternalistische Argumentation: Zwang, weil es für die Studis besser sei, sie das aber von sich aus nicht hinbekommen
  • Manchmal müssen Menschen zu ihrem Glück gezwungen werden
  • Es ist klar, dass das Glück darin besteht, glatt durch das Studium zu kommen

Stellungnahme der FS Physik

Media: Stellungnahme_Klausurzulassungen_und_Praktika_final_FS-Physik.odt

Argumentation:

  • Es ist Anmaßung, erwachsene Menschen bevormunden zu wollen. Wer will wissen, worin das Glück anderer besteht?
  • Es mag sein, dass (zunächst) mehr Menschen durch Klausuren fallen. Aber:
    • Klar, wenn Druck spontan abfällt, chillt man erstmal, aber irgendwann ist auch das langweilig
    • Nicht berücksichtigt wird, wer auf Grund des Drucks aufgibt / darunter leidet, besonders oft auch Leute, die alle Klausuren bis dahin gut bestanden haben
    • Hinfallen ist nicht schlimm, wenn es die Möglichkeit gibt, wieder aufzustehen und man damit nicht alleine ist
  • Wenn Sachen so unmotivierend sind, dass man Zwang braucht, um sie zu machen, stimmt etwas nicht:
    • Vielleicht Veranstaltungen schlecht
    • Vielleicht ist tatsächlich anderes gerade wichtiger und sollte dann auch eher verfolgt werden
    • Ziemlich sicher gibt es das Problem, dass zu wenig darüber gesprochen wird, was man warum tut und das auch dazu führt, dass Interessen sich nicht weiter entwickeln oder sogar absterben.


Aber Kernproblem: Klausurzulassungen etc. führen zu Abschreiberei und Angst, dabei aufzufliegen. Folgen:

  • Übungsleiter*innen wissen nicht, was sinnvollerweise behandelt werden soll
  • Kultur der Blufferei statt Entwicklung und Fehlerkultur
  • Schlechte Voraussetzungen, um z.B. Musterlösungen zur Verfügung zu stellen
  • insgesamt: zu oft sind Übungen nur Anschreiben von Musterlösungen. Das kann man auch per Mail erledigen

=> Es ist abwegig, um vermeintlich wenige zu ihren Glück zu zwingen, in Kauf zu nehmen, dass der Übungsbetrieb für alle schlecht ist und auch die Motivierten ihre Motivation verlieren.

Anmerkung: Besonders in den Fächern, deren Fachschaften besonders deutlich für die Beibehaltung der Klausurzulassungen ausgesprochen haben, gibt es Klausurzulassungen nur in wenigen Modulen und zwar fast ausschließlich in den Nebenfächern.

Vorschlag der Kölner Math-Nat-Fachschaften zum weiteren Vorgehen

Wenn man weiter die bloße Frage der Klausurzulassungen diskutiert, wird es zu nicht viel mehr führen als "ja" - "nein" - "doch" und es besteht die Gefahr, dass man in zwei Jahren auch nicht viel weiter ist als jetzt. Auch eine Evaluation auf dieser Ebene wird nicht viel weiter helfen, weil das Ergebnis absehbar von den Kriterien der Evaluation abhängt und man die "ja"-"nein"-"doch"-Auseinandersetzung dann nur auf das Design der Evaluation verschoben hat.

Deshalb ist der Vorschlag der Fachschaften nicht darauf gerichtet, die Frage "Klausurzulassung ja - nein" daraufhin zu diskutieren und zu evaluieren, für welche der beiden Möglichkeiten man sich entscheidet. Vielmehr ist die Idee - quasi dialektisch - aus der Diskussion einen dritten Weg zu entwickeln und den dann zu evaluieren. Dazu ist das Rad nicht neu zu erfinden, sondern das zu heben und wertschätzend weiter zu entwickeln, was überall schon begonnen ist.

Daraus wurde das folgende Konzept für einen Reformprozess entwickelt: Medium: Entwurf_für_Ablauf_1.odt

Berichte Stand der Studienreform-Diskussion an verschiedenen Hochschulen

Diskussion der im Input vorgestellten FS-Stellungnahmen

Pädagogische Diskussion 1

  • These: Zwänge sorgen dafür, dass Leute Klausuren bestehen. Bestandene Klausuren motivieren. => Zwänge sind hilfreich, damit Leute die Motivation am Studium nicht verlieren.
  • Gegenthese 1: Zwänge sorgen dafür, dass Leute den Bezug zum Inhalt verlieren und damit die Motivation
  • Gegenthese 2: Zwänge sorgen dafür, dass Leute die Lust schon vor der Klausur verlieren
  • Konklusion: In der Debatte kommt vor allem Gegenthese 2 oft zu kurz. Die Leute, die schon vor den Klausuren abbrechen (was nicht wenige sind, siehe auch SoSe16_AK_Abbrecherquoten) müssen zumindest immer ins Verhältnis gestellt werden zu den Leuten, die abbrechen, weil sie vom Durchfallen demotiviert sind.

Pädagogische Diskussion 2

Diskussion des vorgestellten Reformprozesses

  • Gezieltes Erarbeiten der Konsense und Dissense als Grundlage des weiteren Vorgehens wird für sehr zielführend gehalten.
  • Könnte man woanders auch mal in Angriff nehmen
  • Ist es realistisch, dass Nischenlösungen breit angewendet werden?
  • Reicht es, sich nur um die Klausurzulassungen zu kümmern? Sind nicht die Klausuren selbst nicht das eigentliche Problem, ohne das man auch die Diskussion um die Zulassungen gar nicht hätte?

Sammlung von nicht-Standard-Lösungen / Alternativen

Es wurde eine Sammlung von nicht-Standard-Ideen / Alternativen für den Übungsbetrieb begonnen. Sie wird auf einer eigenen Wiki-Seite gepflegt.

Erkenntnisse zu Studienreformprozessen

  • Der Übungsbetrieb läuft prinzipiell an den meisten Hochschulen ähnlich.
  • An sehr vielen Hochschulen werden parallel in den Nischen Alternativen erprobt, die aber oft in den Nischen bleiben.
  • An vielen Hochschulen haben die Studierenden in Studienkommissionen umfangreiche Mitsprache- und Vorschlagsrechte, die bisher aber zu wenig genutzt werden, um zu einer Weiterentwicklung beizutragen. Die Studierenden ergreifen dort selten die Initiative, sondern beteiligen sich vor allem an Diskussionen, die von den Profs und / oder WissMa initiiert werden.
  • Um echte Weiterentwicklungen anzustoßen, reicht es nicht, Erleichterung zu verfolgen

Erkenntnisse zum Übungsbetrieb

  • Es ist überall reichlich Luft nach oben
  • Entwicklung einer produktiven Fehlerkultur steht an
  • Man lernt mehr, wenn man daran arbeitet, bis etwas fertig / richtig ist, als wenn man für Halbgares halb viele Punkte bekommt und es dabei bleibt.
  • Wichtiger für den Klausurerfolg als formale Regelungen wie Zulassungskriterien ist Kommunikation: Reden Prof, die Leute, die die Übungen stellen, Übungsleiter und Studis miteinander? In alle Richtungen?
  • Orientierendes Feedback ("Du solltest Dich nochmal mit Kapitel XY beschäftigen." "Wenn Du es so und so systematisch aufschreibst, verlierst Du den Überblick nicht so schnell.") statt Punkte hilfreich

Zusammenfassung

Diskussionsanstoß dieser Debatte war das Konzept einer Tagung, die die Uni Köln angedacht hat, um Konzepte zu entwickeln, die den Übungsbetrieb ausgehend von der Klausurzulassungsfrage verbessern sollen. Im Fokus stand der Konflikt, ob Zwänge und Druck dabei helfen am Ball zu bleiben oder eher hinderlich sind und zu Frustration und zu viel Druck führen und vielleicht auch schon Studierende vor der Klausur abbrechen.