SoSe15 AK Fokus auf mathematische Vorkenntnisse

Aus ZaPFWiki

Vorstellung des AKs

Verantwortliche/r: Margret (LMU München) und Lea (Uni Kiel)

Da sich auf der letzten ZaPF ein großes Interesse an der Studie von Borowski zeigte, ist nun der Autor persönlich zu einem Arbeitskreis anwesend. Näheres dazu im Anfangsplenum.

Arbeitskreis: "Fokus auf mathematische Vorkenntnisse bzgl. Vorkurse"

Protokoll 29.05.2015

Beginn
14:00 Uhr
Ende
15:45 Uhr
Redeleitung
Björn (RWTH Aachen)
Protokoll
Margret (LMU München)
Anwesende Fachschaften
RWTH Aachen,
FU Berlin,
HU Berlin,
Uni Bochum,
Uni Bonn,
TU Braunschweig,
TU Dresden,
Uni Düsseldorf,
Uni Freiburg,
Uni Göttingen,
Uni Heidelberg,
Uni Jena,
TU Kaiserslautern,
Uni Karlsruhe,
Uni Kassel,
Uni Kiel,
Uni Konstanz,
LMU München,
TU München,
Uni Münster
Uni Potsdam,
Uni Rostock,
Uni Wuppertal,
Uni Würzburg,
Uni Wien,
jDPG,
KIF

Einleitung/Ziel des AK

Auf der ZaPF in Bremen wurde von der KFP berichtet, auf der wiederum Andreas Borowski im November 2014 erste Ergebnisse seiner Studie zum Vergleich der Vorkenntnisse von Studienanfängern zwischen 1978 und 2013 vorstellte. Das Thema erweckte großes Interesse auf der ZaPF, auch weil ein Arbeitskreis auf derselben ZaPF sich mit fehlendem Abiwissen beschäftigte. Daraufhin wurde Andreas Borowski nach Aachen eingeladen, die Ergebnisse seiner Studie selbst vorzustellen und diese mit uns zu diskutieren.

Protokoll

Björn (Aachen) stellt den Gast, Andreas Borowski, Professor für Didaktik der Physik an der Uni Potsdam, den Anwesenden kurz vor und übergibt ihm das Wort für einen Vortrag.

Vortag Borowski

Andreas Borowski stellt in einem ca. halbstündigen Vortrag die Idee, Entstehung und Umsetzung seiner Studie zu Mathematikkenntnissen und Physikkenntnissen von Studienanfängern in der Physik vor und präsentiert und interpretiert die Ergebnisse der Studie.

Diskussion

Rostock: Sind die Daten zugänglich? Können damit Vergleiche, wie zum Beispiel ein Ost-West-Vergleich, aufgestellt werden?

Borowski: Die Daten sind nicht öffentlich zugänglich. Grund dafür ist unter Anderem, dass den teilnehmenden Unis vorher versichert wurde, dass kein Ranking erstellt wird, auch kein Ost-West-Vergleich. Der Test selbst ist frei verfügbar. In fünf bis zehn Jahren soll die Studie wiederholt werden, dann mit einem leicht veränderten Test. Es ist trotzdem noch möglich, Vergleiche zum Ergebnis von 2013 anzustellen, weil erst ab diesem Mal (2013) eine Datenmatrix erstellt wurde bzw. die Daten von 1978 nicht mehr vollständig verfügbar sind.

Konstanz: Wurde auch abgefragt, ob die Teilnehmer der Studie einen Vorkurs besucht haben?

Borowski: Ja, das wurde abgefragt und wird auch gerade ausgewertet. Ergebnisse davon und Aussagen zu den Vorkursen sollen noch im Laufe diesen Jahres im Physik Journal veröffentlicht werden.

FU Berlin: Ist es auch geplant, den Physik und den Matheteil im Test zu vertauschen, um den Leistungsabfall durch den Testlängeneffekt zu untersuchen? Borowski: Das wurde dieses Jahr im Falle einer Uni gemacht. Die Ergebnisse dieser Untersuchung stehen noch aus.

FU Berlin: Es ist schade, dass man von 1978 nur noch die Mittelwerte, aber keine Varianz der Daten zur Verfügung hat. Wurde schon probiert, sich auf die Suche nach den Daten zu machen? Borowski: Ja, es wurde versucht, aber es ist sehr schwierig bis unmöglich an die Daten zu kommen, da die Autoren von 1978 teilweise verstorben oder erkrankt sind.

Freiburg: Wurden die Effekte des Karlsruher Physikkurses untersucht? Wurde abgefragt, ob die Testteilnehmer den KPK oder einen konventionellen Physikkurs besucht haben? Borowski: Nein, das wurde nicht erfragt. Es ist lediglich festzustellen, dass Baden-Württemberg insgesamt besser abgeschnitten hat als viele andere Bundesländer. Nachfrage aus Essen: Was ist der KPK? Borowski verweist auf die Seite DPG. Es handelt sich um ein alternatives Modell, physikalische Konzepte im Schulunterricht zu vermitteln, das in einer sehr ideologisch geführten Debatte diskutiert wird und umstritten ist.

Wien: Gibt es für Österreich und die Schweiz ähnliche Studien oder sind diese zukünftig geplant? Borowski: Es war schwierig überhaupt Studien aus den 70ern zu finden, die die Mathevorkenntnisse untersuchten und man konnte keine für den gesamten deutschsprachigen Raum gefunden. Die Entscheidung für die Studie von 1978 bedeutete, dass man keinen Vergleich zu Österreich/der Schweiz anstellen konnte und deshalb wurden auch diesmal nur Unis aus der BRD einbezogen. Da geplant ist, eine Weiterentwicklung dieser Studie in einem regelmäßigen Rhythmus zu wiederholen, wird die Anregung aus Wien aufgenommen.

Jena: War 1978 die damalige DDR mit dabei? Man sollte den Ost-West-Unterschied untersuchen, da er die Ergebnisse verfälschen könne. Borowski: Es wird, wie bereits gesagt, kein Vergleich erstellt.

Kiel: Die Studie scheint ja zeigen, dass die Einstellung "Früher waren die Anfänger besser" falsch ist. Gibt es Lösungsansätze, die Professoren mit dieser Einstellung zu überzeugen? Borowski: Überzeugungen können schwer widerlegt werden. Die Studie wird wohl von Leuten mit dieser Einstellung angezweifelt werden. Man sollte sich Gedanken darüber machen, was für weitere Effekte es gibt, die verantwortlich für diese subjektiven Eindrücke bei Professoren sein können. Das kann eine andere Reife, Studier- bzw. Arbeitsfähigkeit der heutigen Studienanfänger sein, die im Schnitt drei Jahre jünger sind als damals. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Professoren zu den besten ihrer Kohorte gehörten und diese gute Studierenden erwiesenermaßen im Wesentlichen mit den besten ca. 15 Prozent ihrer Kommilitonen zusammen arbeiteten. Das kann erklären, dass Professoren, die es nun in ihrer Tätigkeit mit den gesamten 100 Prozent zu tun, den Eindruck bekommen, die Studierenden seien heute schlechter als ihre Kommilitonen früher. Kiel: Man könnte diesen Eindruck auch als Professorenfehlvorstellung bezeichnen.

Wien: Der Wehrpflichtwegfall wirkt sich ja nur auf männliche Studierende aus. Was ergab ein Vergleich von Männern zu Frauen? Borowski: Das Geschlecht wurde erfasst mit dem Ergebnis, dass die Altersdifferenz damals größer war als jetzt.

HU Berlin: Stimmt es, dass es früher (1978) mehr Physik in den Lehrplänen der Oberstufe gab? Immerhin gibt es in Berlin noch fünfstündige Leistungskurse. Borowski: Die Stundenanzahl Physik war damals in Summe über die gesamte Schulzeit wirklich höher als heute. Fünfstündige Leistungskurse sind deutschlandweit ein Auslaufmodell, es gibt eher drei- bis vierstündige Kurse in der Oberstufe. Der Anteil an Studienanfängern der Physik, die Physik nur im Grundkurs oder ganz abgewählt haben, nimmt zu. Grund dafür ist, dass oft keine Leistungskurse angeboten werden. HU Berlin: Sollten deswegen mehr Lehrer eingestellt werden? Borowski: Das ist nur die Lösung für eine Seite des Problems. Es sollte vielmehr auch erlaubt sein, kleine Leistungskurse (mit ca. 10 Teilnehmern) durchzuführen, denn momentan sind nur solche mit mehr als 20 Teilnehmern möglich/lohnen sich für die Schulen. Das schränkt das Angebot an Physik- oder Chemieleistungskursen an Schulen mit ca. 100 SchülerInnen stark ein.

Jena: Wie genau sehen die Aufgaben im Test aus? Wie hoch ist der Anspruch der Aufgaben? Borowski: Insgesamt waren es ca. 100 Aufgaben, die es in 90 Minuten zu lösen galt. Es sind eher Fachwissensaufgaben, es wird Wissen abgefragt und kleine Aufgaben werden gerechnet. Borowski zeigt beispielhaft einige Aufgaben aus dem Physikteil und es wird kurz darüber diskutiert. Auf Nachfrage werden auch Matheaufgaben gezeigt. Auch hier sollen die Testteilnehmer rechen, zeichnen und sich an Fachwissen erinnern.

Rostock: Können Sie sich vorstellen das Abschneiden im Test mit dem Studienerfolg der Teilnehmer zu korrelieren? Borowski: Das wurde getan. Alle teilnehmenden Unis wurden gebeten, den Studienerfolg der Testeilnehmer am Ende des ersten Semesters zurückzumelden. Fünf Unis haben das getan, allerdings sehr unterschiedlich, manchmal die Note einer Experimentalphysikklausur oder einer Matheklausur oder eine über alle Prüfungen gemittelte Note. Ergebnis dieser Untersuchung war, dass die Korrelation des Studienerfolgs mit dem Abschneiden im Matheteil des Tests bei p=0.75 lag, (mit dem Physikteil niedriger), aber unabhängig davon ob der Studienerfolg durch eine Experimentalphysik- oder eine Mathenote angegeben wurde. Rostock: Was bedeutet ein Wert von 0.75? Borowski: Der bisher beste Indikator für den Studienerfolg war die Abinote, und dort liegt die Korrelation bei 0.5. Das Ergebnis des Mathetests liegt also deutlich darüber, sodass ca. 40 Prozent der Varianz im Studienerfolg durch das Abschneiden im Matheteil aufgelöst werden können. Borowski interpretiert daraus, dass der Studienerfolg stark von den Mathekenntnissen abhängt, weil viele Mathekenntnisse in den Anfangskursen vorausgesetzt werden. Deshalb freut er sich beispielsweise über die Etablierung des Online Mathe Brückenkurses durch die KFP.

Wuppertal: Sind diese Untersuchungen nicht auch für andere Fächer relevant? Ist eine Ausweitung der Studie auf Studienanfänger anderer Fächer geplant? Borowski: Findet die Idee sehr gut, denn sicherlich ist die Thematik für Fächer wie die Ingenieurwissenschaften, Informatik oder Mathematik auch relevant. Es muss sich nur jemand finden, der das tut. Bei den Physikern unterstützt die KFP die Studie, für andere Fächer müsste man eine Organisation bzw. einen Geldgeber finden, der sich langfristig beteiligt. Wuppertal unterstützt das eben gesagte und appelliert an die Politik, dass nur langfristige Forschung in diesem Bereich sinnvoll und hilfreich ist.

FU Berlin: Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Wird der Datensatz anonymisiert? Borowski: Um den Studienerfolg zu korrelieren benötigten die Autoren der Studie die Matrikelnummern der Teilnehmer, auch war nur so eine individuelle Rückmeldung über das Ergebnis an die Testteilnehmer möglich. Es handelte sich dabei um eine freiwillige Angabe, bei der sichergestellt wurde, dass nur die Studierenden selbst und nicht die Professoren an der Hochschule die Ergebnisse erhielten. Außerdem sind die Matrikelnummern auf einem anderen Rechner gespeichert als der Datensatz.

FU Berlin macht sich Sorgen, ob die Ergebnisse des Tests nicht missbraucht werden könnten. Da nun herausgefunden wurde, dass das Abschneiden im Mathetest stark mit dem Studienerfolg korreliert, könnten Universitäten daraus Eingangstests entwickeln, sodass am Ende nur noch Personen, die diesen Test bestehen, ein Physikstudium aufnehmen dürfen. Borowski: Nur 40 Prozent der Varianz können durch den Test aufgelöst werden, die restlichen 60 Prozent nicht. Es sollen keine Studierenden abgeschreckt werden, sondern diejenigen, die interessiert sind, frühzeitig Unterstützung erhalten.

Rostock: Wie können wir als ZaPF mit den Ergebnissen der Studie umgehen? Was erhofft sich Borowski von der ZaPF? Wie kann die ZaPF helfen die Problematik anzugehen? Grundsätzlich würden wir gerne zusammenarbeiten, sowohl wenn es um die Durchführung der Studie als auch um den Umgang mit den Ergebnissen geht. Borowski: Es fällt schwer, eine direkte Empfehlung zu geben. Insgesamt sollte die Studierendenschaft selbstbewusst auftreten, in dem Wissen, dass sie nicht schlechter sind als früher; gerade dann wenn sie mit Aussagen, dass sie schlecht seien, konfrontiert werden. Außerdem könnten die Fachschaften mithelfen in der Studieneingangsphase Unterstützungssysteme aufzubauen, die den Transfer von der reinen Mathematik zur "physikalischen Mathematik" vermitteln. Der Test hat gezeigt, dass der Studienerfolg an fehlenden Vorkenntnissen in der Mathematik scheitern kann. Dagegen kann man etwas tun, denn die Mathematik ist nur die Sprache der Physik, an der interessierte Studierende nicht scheitern sollten. Außerdem könnte man auch ganz neue Unterstützungssysteme entwickeln und zwar dort, wo die alten nicht mehr angemessen sind, z.B. aufgrund des jüngeren Alters der Studierenden.

Rostock: Gibt es auch eine Studie, die das Wissen nach Beendigung des Studiums abprüft oder ist sie geplant? Borowski: Nein, das ist aber auch nicht sinnvoll, denn jede Uni hat andere Module und die Inhalte und das Fachwissen unterscheiden sich doch stark von Standort zu Standort. Gerade im Masterstudium gibt es verschiedene Spezialisierungen und das ist auch so gewollt.

jDPG: Gibt es Informationen darüber, wie die Ergebnisse der Studie 1978 innerhalb der Fachwelt (z.B. DPG) diskutiert wurden? Borowski: 1978 fiel in eine ähnliche Zeit, zu der auch Vorkurse flächendeckend eingeführt wurden. Wie und ob ein kausaler Zusammenhang zur Studie besteht, ist nicht nachvollziehbar. Genaue Informationen zu einer Diskussion über die Ergebnisse in der DPG wurden bis jetzt nicht recherchiert, aber die Anregung wird aufgenommen.

Borowski plant die Testfragen weiterzuentwickeln, zum Beispiel auch auf Inhalte, die heutzutage gefordert werden, und die Studie regelmäßig durchzuführen. Die Entwicklung neuer Aufgaben ist also als nächster Schritt angedacht.

Rostock: Gibt es Tipps, wie wir die Ergebnisse der Studie verwenden zu können, um Profs zu überzeugen? Borowski: Schwierige Frage. Als die Ergebnisse auf der KFP vorgestellt wurden, war die Reaktion ungläubiges Staunen seitens der Professoren. Eine Möglichkeit zu regieren ist, die Professoren aufzufordern, ihre Eindrücke nachzuweisen, indem sie einfach mal frühere Abiaufgaben von heutigen Studierenden durchrechnen lassen. Nachfrage: Aber da hat man doch Angst, dass die Vorurteile bestätigt werden. Borowski: Das Risiko muss man eingehen, das war auch bei der Studie der Fall und sie haben sich eben nicht bestätigt.

Abschlussappell von Borowski: Wir als ZaPF sollten uns als Studierende dafür einsetzen, dass den Studienanfängern die fehlenden Vorkenntnisse nicht zum Verhängnis werden. Wir wollen, dass Leute, die sich für Physik interessieren, Unterstützung bekommen, das Studium selbstständig zu schaffen. Die KFP nimmt das Ernst, indem sie den Online Mathe Brückenkurs mit entwickelt, finanziert und bewirbt. Die ZaPF kann sich einbringen, indem sie sich beispielsweise mit dem OMB beschäftigt, um ihn zu verbessern.

Zusammenfassung